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Barrierenfreie Kommunikation im IT-Nearshoring

Lesezeit: 5 min

Polen ist für viele deutsche Unternehmen der perfekte IT-Nearshoring Standort. Polnische Softwareentwickler gehören zur Weltspitze und die Hochentwickelte IT-Infrastruktur sowie ein flächendeckendes stabiles Breitbandnetz sorgen für technische Verlässlichkeit.

IT-Nearshoring naheliegend

Als EU-Mitgliedsstaat bietet der Standort Polen die Rechts- und Datenschutzsicherheit, die gerade bei Datenübermittlung nicht zu unterschätzen ist.
Fast alle Softwareentwickler sprechen ein sehr gutes Englisch, oft auch Deutsch. Auf dem EF English Proficiency Index ist Polen an 16. Stelle weltweit (1) und etwa 2,3 Mio. Menschen in Polen lernen die deutsche Sprache (in Frankreich beispielsweise nur 1 Million), die damit nach Englisch die zweitbeliebteste Fremdsprache ist (2).
Auch die kulturelle Nähe, Gepflogenheiten und das Arbeitsethos sind ähnlich. Trotzdem scheuen manche Unternehmer immer noch davor, sich für das sichere und bequeme IT-Nearshoring ins Nachbarland Polen zu entscheiden und oft sind es althergebrachte Vorurteile, die ihre Entscheidung beeinflussen.

Vorurteile als Entscheidungsfaktoren

Vorurteile und Emotionen sind nicht nur im privaten Umgang der Menschen untereinander ein Faktor. Sie spielen oft genauso eine große Rolle bei der Arbeit und bei unternehmerischen Entscheidungen. Es gibt sogar einen Verhaltenswissenschaftszweig, der sich ausschließlich mit Behavioral Economics beschäftigt – die sogenannte Verhaltensökonomik (3). Hierbei werden die Auswirkungen von psychologischen, kognitiven, emotionalen, kulturellen und sozialen Faktoren auf die wirtschaftlichen Entscheidungen untersucht.

Sprachprobleme oft vorgeschoben

Erfahrungsgemäß stellen die Outsourcing-Kunden eingangs hohe Erwartungen an die sprachlichen Kenntnisse ihrer Nearshoring-Mitarbeiter. Auch wenn diese meist erfüllt werden und in der Praxis sekundär gegenüber den erforderlichen fachlichen und technischen Fähigkeiten sind, werden angebliche Sprachschwierigkeiten als Argument hinzugezogen, um den tatsächlichen Reibungsgrund zu verdecken, nämlich, dass man einfach generell mit negativen Vorurteilen gegenüber ausländischen Mitarbeitern behaftet ist.

„Angebliche Sprachschwierigkeiten sind als mögliche Gründe gegen Outsourcing gesellschaftlich eher akzeptiert und werden daher schneller genannt als Vorbehalte gegen potenzielle Mitarbeiter im Ausland.“

– schrieb letztlich der IT-Berater und Autor Ulrich Bötger für die Computerwoche (4).

Den Mitarbeitern Angst vor Konkurrenz nehmen

Oft sei der eigentliche Grund, die gute Zusammenarbeit offen anzugehen, dass die Mitarbeiter der auslagernden Unternehmen zu wenig in die Firmenentscheidungen eingebunden werden und ihnen von der Firmenleitung nicht erklärt wird, dass das Nearshoring eine Chance für das Unternehmen bietet, sich weiterzuentwickeln und somit ihre Arbeitsplätze eher gesichert als bedroht werden. Denn laut Bötger haben viele deutsche Mitarbeiter einfach Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes und der Konkurrenz, sollten sich die Nearshoring-Mitarbeiter vielleicht als fleißiger und besser erweisen. „Hierzu ist eine offene Kommunikation notwendig. Um ein Job-Risiko für die bisherigen Mitarbeiter zu vermeiden, sollte das Unternehmen vielfältige interne Weiterbildungsmaßnahmen fördern.“ Nur dann sei effektive Zusammenarbeit zwischen den unternehmenseigenen Mitarbeitern und dem Nearshoring-Dienstleister möglich, wenn diese als eine Wachstumschance für das gemeinsame Unternehmen und nicht als Konkurrenz um Arbeitsplätze betrachtet wird.

Nearshoring sichert Arbeitsplätze und nimmt sie keinem weg

Zuallererst ist es wichtig, dass die firmeneigenen Mitarbeiter verstehen, dass eine Entscheidung des Managements für die Auslagerung einzelner Firmenprozesse unumgänglich ist und der Firma zugutekommen wird. Im Endeffekt sollen damit ihre Arbeitsplätze gesichert werden, als dass jemand sie ihnen wegnehmen wird. Auch ist es eher der Fall, dass ein externer Outsourcing-Mitarbeiter aus Deutschland jemanden in der deutschen Zentrale ersetzt, als dass ein Nearshoring-Mitarbeiter aus dem Ausland extra nach Deutschland zieht. Ferner sollten Anreize und Ansporn für die firmeneigenen Mitarbeiter zur Weiterbildung geschaffen werden, beispielsweise um die Prozesse der Zusammenarbeit mit den Nearshoring-Mitarbeitern vom Unternehmen aus zu steuern.

Change-Management – Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation

Jede gravierende Änderung in der Unternehmensstrategie ist eine Herausforderung, bei der die Mitarbeiter auch miteingeschlossen und mitgenommen werden müssen und die interne und externe Kommunikation nicht unterschätzt werden darf.

Der Agile – Coach Klaus Riedel berichtete kürzlich aus eigener Erfahrung mit IT-Nearshoring auf seinem Blog (5). Seiner Meinung nach bietet das IT-Nearshoring gerade für D.A.CH Unternehmen ein unglaubliches Potential. Dabei muss aber auch das Management Höchstleistung erbringen und vor allem auf Kommunikation innerhalb des eigenen Unternehmens und mit den Nearshoring-Teams setzen. Die oft zitierten „kulturellen Unterschiede“ seien gar nicht so gravierend und schon gar nicht für das Scheitern eines Projekts verantwortlich, vielmehr werden sie oft vorgeschoben, wo einfach schlechtes Management vorlag. Denn die eigentliche „kulturelle Grenze“ verliefe vielmehr zwischen den einzelnen Abteilungen innerhalb der Organisation selbst und nicht zwischen den Onsite- und Nearshoring-Teams. Gerade bei Agile Management, wo Kommunikation eine herausragende Rolle spielt, müsse man darauf achten, sorgfältig Nearshoring-Partner zu wählen, die der Kommunikation ebenfalls besondere Beachtung schenken. Auch solle man sich nicht davon entmutigen lassen, wenn auf beiden Seiten keine englischen Muttersprachler zusammenarbeiten. Natürlich könne es da manchmal zu Missverständnissen kommen, die lassen sich aber in der Regel schnell ausräumen. Viel schlimmer sei dabei eine schleichende Kommunikationsvermeidung, die den Kontakt schließlich aufs Minimum reduziert.

Diese Erfahrungsberichte zeigen deutlich, dass es in Wirklichkeit keine gravierenden sprachlichen und kulturellen Barrieren beim Nearshoring ins benachbarte Ausland gibt und diese allzuoft vorgeschoben werden, wenn die Zusammenarbeit zwischen den Teams aus anderen Gründen nicht klappt.

Daher ist es eine besondere Herausforderung für das Management, einerseits den eigenen Mitarbeitern die Angst vor der Konkurrenz mit ihren Nearshoring-Kollegen zu nehmen und sie voll in die Projekte und Firmenstrategie einzubeziehen und andererseits verstärkt auf die Kommunikationsfähigkeiten aller Beteiligten in den zusammenarbeitenden Teams hinzuwirken. Denn schafft man es, Vorurteile und Ängste der Mitarbeiter abzubauen, steht einer erfolgreichen Zusammenarbeit nichts mehr im Wege.

 

(1) https://www.ef.pl/epi/
(2) https://polenjournal.de/meinung/1404-warum-die-deutsche-sprache-fuer-polen-wichtig-ist
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Verhaltensökonomik
(4) https://www.computerwoche.de/a/agile-hui-offshoring-pfui,3548366
(5) https://blubito.de/blog/warum-nearshore-outsourcing/